Wird der E-Commerce zum Totengräber des stationären Einzelhandels? Dieser Frage wandte sich Dr. Kai Hudetz, Geschäftsführer des IFH Instituts für Handelsforschung Köln, auf den Leipziger Lifestyle-Messen CADEAUX, COMFORTEX und MIDORA (6. bis 8. September 2014) zu. Die Antwort des Experten: ein klares „Jein“. Der stationäre Facheinzelhandel habe auch im digitalen Zeitalter eine Existenzberechtigung, müsse sich aber dem schnellen Takt der ladenschlussfreien Online-Handelsplattformen anpassen.
„Etwa 16 Prozent des gesamten Einzelhandelsvolumens werden inzwischen online abgewickelt – Waren des täglichen Bedarfs ausgenommen“, so Dr. Hudetz in seinem Vortrag „Alles online oder was?“. Allein im vergangenen Jahr wurden in Deutschland im Online-Handel rund 37,5 Milliarden Euro umgesetzt. Zum Vergleich: 2007 waren es lediglich 12,2 Milliarden. „Wer im Internet unterwegs ist, wird immer schneller zum Online-Shopper, kauft häufiger und zu höheren Beträgen“, betonte Hudetz. Dabei sei der Preis nur eine Motivation. Die ständige Verfügbarkeit der Shops sowie die guten Vergleichsmöglichkeiten seien ebenfalls wichtige Gründe für den Online-Einkauf. Der „Beratungsklau“ im stationären Handel gehe inzwischen zurück, konstatierte er. Dies sei aber keineswegs eine gute Nachricht: „Immer mehr Kunden verzichten auf eine Beratung im stationären Handel, weil ihr Vertrauen in die Online-Shops gewachsen ist. Damit verlieren Händler die Chance, dass die Kunden ihre Läden überhaupt noch betreten.“
Andererseits seien die Kunden heute viel informierter – zum Teil besser als die Händler. Darauf müssten die stationären Geschäfte mit entsprechendem Personal reagieren. „45 Prozent der stationär getätigten Käufe werden online vorbereitet“, sagte Hudetz. „Der Handel hat in den letzten Jahren viel Personal durch Fläche ersetzt – in Zukunft werden wir wieder den umgekehrten Weg sehen.“ Zudem sei für die meisten Geschäfte eine Online-Filiale elementar: 18,2 Prozent der Offlineumsätze entstünden durch Recherchen der Kunden im Online-Shop des gleichen Unternehmens. Außerdem generiere der Online-Kanal Zusatzumsätze. Gerade die wachsende Zahl von Smartphones und die damit verbundene mobile Netznutzung eröffne den stationären Läden ganz neue Aussichten, betonte der Fachmann: „Mit einem QR Code an den Produktpräsentationen kann der Kunde mit seinem Smartphone direkt bestellen – und das auch am Sonntag.“
Wer wettbewerbsfähig bleiben wolle, könne auf E-Commerce nicht verzichten, so das Fazit der konträr geführten Debatte. Schwarz und Weiß aber gebe es nicht: „Die Vertriebsstrukturen werden sich ändern, neue Player kommen in den Markt“, unterstrich Hudetz. „Es wird nicht heißen ‚online oder offline‘, sondern die Kanäle werden sich vermischen.“